Bericht über unseren Arbeitsbesuch in Mombasa im August 2009 – Teil 1 (Live aus Mombasa)
Bei allen, die sich die Zeit nehmen, meinen Bericht zu lesen, möchte ich mich für die Länge entschuldigen. Aber diesmal waren wir nicht nur extrem lang in Afrika, wir haben auch viel erlebt- sicherlich auch geleistet.
Unsere Reise begann eigentlich, als wir kühn einen Antrag zum Bau einer Schule an Bengo (Beratungsstelle für private Träger in der Entwicklungszusammenarbeit) im Sommer 2008 gestellt haben. Wir haben damals erkannt, dass wir eine nachhaltige gute Schulausbildung „unserer“ Kinder nur dann gewährleisten können, wenn wir auch auf den pädagogischen Prozess Einfluss nehmen können. Und wo geht das besser als in einer Schule, in welcher wir und unser Partnerverein selbst den Lernprozess beeinflussen können! Weil wir uns in den letzten fünf Jahren viel mit der afrikanischen Administration herumgeärgert haben, wollten wir nun in Deutschland zügig unsere Idee umsetzen. Wir haben letztendlich bis zur Genehmigung ein Jahr gebraucht. In diesem Zeitraum voller Arbeit ( ehrenamtlich) haben wir alle Gefühlswelten durchlebt. Als wir unsere wissenschaftliche Abhandlung -nichts Geringeres ist das- zum fünften Mal überarbeitet hatten, kam schließlich der erlösende Brief vom Bundesministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
„War das der Durchbruch oder kommen die eigentlichen Probleme erst noch?“ fragten wir uns. Eine Antwort mussten wir schnell finden.
An dieser Stelle soll in Kurzfassung das geschildert werden, was wir, Herr Jürgen Kielmann und ich, in den ersten Projektwochen durchlebt und durch- litten haben.
Jeder weiß, wenn man verreist, muss man sich gut vorbereiten. Für uns bedeutete das, Spaten, Schaufel, Hammer, Säge und vieles mehr zu besorgen. Denn unser erster Bauabschnitt war die Geländesicherung und der Zaunbau. Solche „Pionierarbeit“ kannten wir bisher nur aus alten Filmen. Das erste Problem bestand darin, unser „Reisegepäck“ durch den kenianischen Zoll zu bringen. Obwohl unser Vorhaben durch die Bundesregierung offiziell als Entwicklungshilfeprojekt eingestuft und in Nairobi alle Behörden über unsere Aktivitäten in Kenntnis gesetzt wurden, ticken die Uhren der Zöllner in Mombasa immer nach gleichem Rhythmus…Money Money Money! Die Worte von Obama auf dem letzten Afrika Kongress, dass „die Korruption Wurzel des Übels für jeglichen Fortschritt“ ist, sind sowohl bei den kenianischen Präsidenten als auch beim Volk schnell vergessen. Es wäre ja auch nicht schlecht, wenn man uns schon von Seiten der Bundesregierung tiefgründig geprüft hat, uns ein Legitimationsschreiben beider Regierungen in die Hand zu geben. Aber Schluss mit der Meckerei, jetzt wird rangeklotzt…!
Der Zoll war diesmal mit 10 Euro Schmerzensgeld zufrieden gestellt. Aber schon traf uns ein anderes kenianisches Problem: Es gab nämlich die ersten Tage kaum Benzin. Als ich glücklich dieses Problem gelöst hatte und ein dringender Termin mit dem Anwalt des Grundstücksverkäufers bevorstand , war der Verkehr ganz zusammengebrochen. Es war Showtime oder auf deutsch Jahrmarkt in Mombasa! Mit zwei Stunden Verspätung konnte ich ihn gerade noch erreichen. Er wollte am Abend nach Nairobi, auch wegen unserer Grundstücksahngelegenheit. Das Grundstück haben wir- Mr.Katana, Miss Lilien, Miss Victoria, Mr Harrison und ich- am nächsten Tag besichtigt.Es befindet sich in Utanga unweit von Kiembeni, wo die Marvel School liegt. Die erste Arbeit war das exakte Ausmessen unseres Grundstückes (ein Acre = 4040qm),bei 40 °C und Buschland schon eine kleine Herausforderung, aber lösbar. Um die ersten Grundstücksarbeiten zu starten, brauchten wir Angebote von Firmen und Baufachleuten. Da in Kenia aber jeder alles zunächst mal kann, bestand die Schwierigkeit darin, an die wirklich entscheidenden Partner heranzukommen, um auch im Sinne unserer Arbeit die Kosten nicht durch Mittelsmänner hochzutreiben. Als bekannt wurde, was wir beabsichtigten stand mein Telefon nicht mehr still. Alle hatten plötzlich Kontakte und Termine für mich. Nicht so ganz einfach, in Afrika die Spreu vom Weizen zu trennen! Auch Klaudia, welche die letzten drei Wochen hier war, hat gute Vorarbeit geleistet. Sie hatte viele Informationen recherchiert und Kontakte geknüpft, die aber alle abgearbeitet sein wollten. Es stellte sich sehr schnell heraus, dass die Angebote von Firmen unseren finanziellen Rahmen erheblich sprengten. Also blieb nur die Variante mit einem Vorarbeiter auf eigene „Faust“ und Rechnung zu arbeiten. Das hieß alles Material selbst kaufen, transportieren und bewachen. Auch das Reinigen des Grundstücks vom „Dschungel“ kam plötzlich zum Stillstand. Der Verkäufer bestand nun doch auf einen vom Anwalt bestellten Vermesser.
Zeit bedeutet in Afrika nichts, das weiß man zwar, aber es trifft einen jedes Mal aufs Neue. Zwei Episoden zum Nakomat ( eine Supermarkt europäischer Güte). Eines Tages war Chaos im Supermarkt: Schulklassen wurden durch geführt und dabei fanden Erklärungen zu den Produkten und Preisen statt. Dabei staunten die Kinder nicht schlecht, was man so alles essen kann. Das meiste davon hatten sie noch nie gesehen.
Der nächste Stau wurde von einem Kassierer verursacht: Ein Afrikaner konnte nur mit Schilling-Münzen bezahlen. Bei einer Rechnung von 756 Schilling (ungefähr sieben Euro) waren das also 756 Münzen. Die zu zählen überforderte aber besagten Kassierer total. Denn normalerweise werden die Waren in diesem Markt gescannt und das betuchtere Publikum-arme Afrikaner können hier nicht einkaufen- bezahlt in 100 – oder 1000 -Schilling-Scheinen. Der Kassiere begann also die Münzen zu stapeln, je zehn Stück ein Turm. Als er alles aufgetürmt hatte, stürzte sein Werk ein, also begann der Prozess von vorn. Nach erfolgreichem Turmbau wurden die Münzen step by step in die Kasse eingezählt. Insgesamt dauerte das 25 Minuten Aufgeregt hat sich keiner!
Der staatlich bestellte Vermesser ließ schließlich zwei Tage auf sich warten.
Ein weiterer Termin beim Anwalt brachte keinen Fortschritt, aber dafür hatten mir wendige Finger mitten im dicksten Verkehr von meinem Auto ein Spiegelglas geklaut. Das Wiederzubeschaffen hat mich zwei Tage Zeit und natürlich Geld gekostet. Ärgerlich, dass mir genau dieser Spiegel bei einem Crash mit einem Matatu schon mal kaputt gegangen war und er deshalb noch keine Kennzeichnung hatte. Es werden nämlich alle beweglichen Teile mit der Wagennummer versehen, da sie so nicht wieder verkäuflich sind.
Matatu war übrigens früher in Kenia, als man noch Pferde oder Esel für den Transport von Menschen einsetzte, eine Geldeinheit wie heute Schilling. Jetzt versteht jeder unter Matatu das Transportmittel selbst.
Die schon entstandene zeitliche Verzögerung lässt unsere kenianischen Freunde von Elimu ya Kenya kalt. Verständlich, denn deutsche Behörden und Jahresrechnungsabgrenzungen sowie Terminstellungen des BMZ sind in einen Land, wo Zeit nichts bedeutet, natürlich fremd.
Endlich vier Tage nach dem Spiegelklau war mein Auto wieder komplett. In Mombasa ohne rechten Außenspiegel ( Linksverkehr )zu fahren, ist hier, wo man rechts, links, von vorn und von hinten mit Gefahren rechnen muss Selbstmord. Bei der Gelegenheit habe ich mich gleich mal mit der Frage beschäftigt, was die Diebe mit ihrer Beute machen. In Mombasa gibt es einen Platz ( den Namen möchte ich lieber nicht erwähnen ) wo dieses Diebesgut diskret gehandelt wird. Beim nächsten Mal weiß ich selbst, wo ich meinen Spiegel zurückkaufen kann.
Manchmal hat man das Gefühl, die Zeit scheint in Mombasa stehen zu bleiben, aber manchmal ändern sich auch Dinge, die einen traurig stimmen. Mein erster Kontakt in Mombasa war Achmed der Strandarbeiter. Letztendlich auch durch ihn sind alle meine Ideen entstanden. Achmed arbeitet nicht mehr am Strand! Der Verdienst war so gering dass er gerade die Matatukosten und etwas Essen bezahlen konnte. Bei einer Bootsfahrt zahlt der Tourist, wenn er denn kommt, 2000 Kenya -Schillinge. Davon erhält die staatliche Strandverwaltung 1500 , dreihundert für Benzin und Bootseigentümer, verbleiben zweihundert Schillinge für die zwei Bootsbegleiter. Das Matatu kostet 40 Schillinge am Tag. Manche Tage kommt aber gar kein Tourist und das, obwohl High Season ist. Ja, Achmed arbeitet nicht mehr am Strand, er ist jetzt Tagelöhner und wartet am Hafen oft tagelang auf irgendjemand, der ihm Arbeit gibt. Die Dinge ändern sich hier in Afrika, nur nicht zum Besten. Für die „Alten“ gibt es durch den zusammenbrechenden Tourismus kaum noch Perspektiven. Wir müssen auf die Jugend warten, der wir helfen, und die vielleicht einen richtigen Beruf lernen können, denn Fachleute werden hier dringend gebraucht: Schreiner, Maurer, Fliesenleger, Elektriker… ; sie alle haben hier eine Perspektive.
Das Grundstück ist vermessen, aber…? Die Gemarkung kann nicht gesetzt werden. Man sollte es nicht glauben, doch es gibt in Kenya für alle noch nicht bebauten Gebiete Straßenplanungskarten. Und genau da liegt das Problem, die Karte von unseren Gebiet ist…natürlich in Nairobi. Ohne die Straßenkarte den Zaun zu setzen oder gar die Schule zu bauen, wäre töricht. Also wieder warten!
Fortsetzung folgt !