Mombasa Januar 2008: Vier Tage nach der Wahl sind wir in Kenia eingetroffen. Kibaki oder Odinga war im letzten Reisebericht noch die Frage.

Nach der Wahl vom 27.12. hat Kibaki unter einer selbst von UNO Beobachtern umstrittenen Auszählung, das Präsidentenamt wieder übernommen. Die Fahrt vom Airport zu unserer Unterkunft wird durch Benson, unseren Fahrer, bereits mit Berichten über brennende Autos, Straßen und Häuser untermauert. Was wir sehen, sind unnormal wenige Menschen auf den Straßen. Zugleich umgibt das Land eine gespenstige Stille. Wir haben diesmal ein Appartement mit Selbstverpflegung gebucht, was sich sofort als Fehler erweist. Alle Geschäfte sind geschlossen, viele wurden bereits geplündert. Der einzige Touristensupermarkt in Nyali wird von Menschen aller Nationalitäten belagert. Die Polizei lässt aus der riesigen Schlange die Wartenden gruppenweise ein. Wir nehmen unser letztes Geld und kaufen was es gibt. Geld tauschen geht schon nicht mehr, die Banken sind geschlossen, die Automaten haben kein Geld und am Schwarzmarkt werden die Kenia Schillinge knapp. Zu DDR Zeiten hatten wir teilweise Geld und keine Waren, hier haben wir von beiden, wenn es so weitergeht, nichts mehr. Noch schlimmer könnte uns aber die Benzinproblematik treffen, denn die Tankstellen werden nicht mehr beliefert. Auf den Straßen sehen wir aller 30 Meter Brandherde von Straßensperrungen.

Heute, Donnerstag der 3.1. ,ist für Kenia ein wichtiger Tag. Bei einem Treffen zwischen Kibaki und Odinga wird sich das Schicksal des Landes für die nächsten Wochen entscheiden. Eine verbotene Großdemonstration in Nairobi soll zeitgleich der Forderung Odingas nach Neuauszählung der Stimmen Nachdruck verleihen. Alle warten, die Stimmung ist sehr angespannt und das Militär steht mit internationaler Hilfe(es wird gemunkelt Amerikaner und Sudanesen sind im Land) bereit. Die Frage ist nur für wen, denn große Teile der Armee würden zu Odinga halten.

6.1. Nachdem es kein Gespräch gegeben hat, sind weiter Massenproteste geplant. Der Grund, warum wir eigentlich in Mombasa sind, gerät durch die Ereignisse etwas in den Hintergrund. Die Schule hat aufgrund der Unruhen noch nicht begonnen, so dass wir nach drei Tagen noch keinen Schritt weiter sind. Sollten wir den Besuch abbrechen müssen würde das natürlich zu Lasten der Kinder gehen. Denn, wenn wir die Schulverträge nicht abschließen und das Geld für den ersten Term nicht bezahlen, können die drei von uns unterstützten größeren Schulen den Unterrichtsbetrieb nicht aufnehmen.
Um eine positive Nachricht hier zu übermitteln, sei folgendes erwähnt: Nachdem Lilian (die Vereinsvorsitzende von Elimu ya Kenya) ein gesundes Kind zu Welt gebracht hat, ist Delilah, welche das Projekt mit aus der Taufe gehoben hat in den Hafen der Ehe mit einem Europäer eingetreten. An dieser Stelle sei ihr noch einmal für die langjährige Unterstützung gedankt. Wir müsse sicher davon ausgehen, dass sie in Zukunft andere Wege geht, hoffen jedoch, dass sie das Projekt moralisch weiterhin unterstützt.

7.1. Die Nachrichten informieren uns gerade, dass aufgrund der Ereignisse die Schulen erst eine Woche später öffnen. Desweiteren werden durch die Regierungen SMS und Handygespräche überwacht. Es wird außerdem gemunkelt, dass Kibaki sich aus Sicherheitsgründen auf einer Militärbasis in Mombasa aufhält. Da Kibaki vom Stamm der Kikuyu ist, gibt es für alle seine Stammesgefährten ein erhöhtes Sicherheitsrisiko. Alle anderen 41 Stämme, vor allem der von Odinga (Luo) nutzen die Chance, nach den jahrelangen Vergünstigungen für die Kikuyu nun ihre Wut über die Wahlfarce an den Stammesangehörigen auszulassen. Wie wir erfahren haben, sollen schwedische und dänische Touristen heute ausgeflogen werden. Die Britten folgen zwei Tage später. Uns erscheint das etwas überstürzt, da sich die Lage so allmählich stabilisiert. Mit vielen unserer langjährigen Begleiter kann man bereits offen und gelöst über die Wahl sprechen. Ein Problem bei der nachträglichen Analyse ist sicherlich, dass viele Kenianer kein Zahlenverständnis haben. Sie verstehen die Auszählungsrituale nicht und bringen auch schnell Zahlenverhältnisse durcheinander. Ich rede natürlich hierbei von den einfachen Kenianern mit geringer schulischer Qualifikation, aber das sind die meisten. Ein anderes Problem ist, dass obwohl im Vorfeld viele gesagt haben, sie wählen Kibaki, jetzt plötzlich niemand mehr ihn gewählt hat. Aber das ist uns Europäern ja aus unserer eigenen Vergangenheit nicht neu.

8.1. Sechs Tage nach unserem Eintreffen in Mombasa hat sich die Lage zu mindestens hier stabilisiert. Die meisten Geschäfte haben wieder geöffnet und die Matatus, das wichtigste Transportmittel der Kenianer, fahren wieder. Es ist überhaupt erstaunlich, wie vernünftig die Menschen mit der Krise in den meisten Landesteilen umgegangen sind. Fernsehen, Kirchen und ethnische Gruppen haben immer wieder betont, dass das Wichtigste die Erhaltung des Friedens in Kenia ist.

10.1 Wir hatten heute unser erstes Treffen mit Victoria der Direktorin der Marvin School. Die Kinder unseres Projektes gehen alle planmäßig in die Schule. Gemeinsam haben wir dann ein mögliches Grundstück für den Schulgarten angeschaut. Nachdem wir jedoch mit dem Eigentümer gesprochen haben bezüglich Miete, mussten wir feststellen dass die Probleme nicht zu Ende sind. Der Eigentümer ist Kikuyu und wurde, wie auch unser Vereinsmitglied in Kenia Harrison, zusammengeschlagen und traut sich momentan nicht, wirtschaftliche Aktivitäten auszuführen. Da morgen Großdemonstrationen im ganzen Land angekündigt sind müssen wir uns wieder etwas vorsichtiger bewegen.

12.1. Für die Marvin School haben wir mit allen Eltern und der Direktorin die neuen Verträge für das Schuljahr 2008 abgeschlossen. In Kiembeni ist die Situation relativ normal. Wir haben in unserem Programm an der Marvin School keine Kikuyu Kinder. Die Gespräche haben allerdings gezeigt dass die Menschen auch ohne die große Politik genug Probleme haben. Wir haben uns entschlossen für die Marvin School aus den freien Spendenmitteln eine Schulbibliothek einzurichten. Viele Kinder können zu Hause nicht lernen, weil die Eltern keine Schulbücher kaufen können.

13.1 Einige Staaten und ehemalige Regierungschefs afrikanischer Länder sowie Kofi Annan bemühen sich unterdessen um eine friedliche Lösung für Kenia. Die Nachrichten im TV belegen jedoch die unnachgiebige Haltung Kibakis. Macht ist wahrscheinlich auch eine Droge die den Betreffenden zu Handlungen verleitet, die manchmal für die Menschen gefährliche Auswirkungen haben können. Laut Nachrichten gehen dem Land täglich 25 Mio Euro an Bruttoinlandsprodukt verloren. Nicht mit gezählt die Einbußen, die der ausbleibende Tourismus für die einfachen Menschen bringt. Der Wert des Kenia Schillings fällt unterdessen weiter. Das wiederum führt zu steigenden Lebenshaltungskosten, welche wiederum die Inflation anheizen. Wenn Studenten die Auswirkungen einer verfehlten Politik am praktischen Beispiel lernen wollen so kann man z.Zt. Kenia bestens als Lernobjekt empfehlen.

15.1. Die Fahrt zur Pearlsworth School zeigt welche Auswirkungen die Stammesfehden haben. Links und rechts der Straße nach Mishamaroni sehen wir ausgebrannte Häuser und geplünderte Geschäfte. Hier wie auch in Mtwapa sind tausende Kikuyu auf der Flucht nach Tansania oder Uganda. In der Schule selbst konnten wir mit den meisten Eltern Gespräche führen und die neuen Schulverträge abschließen. Der Schuldirektor Mr.Katana hat mir dann anschließend noch ein Grundstück für unser Schulgartenprojekt gezeigt, welches jedoch leider zu weit von den übrigen Schulen entfernt ist. Nachdem die Fahrt zum Grundstück über selbst für Kenia unwegsames Gelände führte, wurden wir bei der Besichtigung von sintflutartigen Regenfällen überrascht, welche uns total eingeweicht haben. Für die Rückfahrt wäre ein Schwimmpanzer geeigneter gewesen.

16.1. Auch in der Tumaini Junior School lief diesmal nicht gleich alles rund. Viele Eltern sind aus Angst noch nicht in die Stadt zurück gekommen. Und die, welche da sind, leiden unter Arbeitslosigkeit und Hunger. Wenn man von der Hand in den Mund lebt, ist jeder Tag ohne Verdienst für die Betroffenen ein Problem.
In den letzten Tagen wurde ich überall so freundlich angeschaut, am Strand jubeln mir alle zu. Heute weiß ich, dass es an meinem T-Shirt lag. Das ist genauso orange wie die Wahl T-Shirts der Odinga Partei ODM. Hier wird auch viel von der orangenen Revolution gesprochen. Morgen ziehe ich wieder mein Vereins T-Shirt an, um die Stimmung nicht weiter anzuheizen.

18.1. Heute haben wir Furaha, unser behindertes Patenkind, in Port Ritz besucht. Ihm geht es nach seiner Operation besser. Allerdings haben seine schulischen Leistungen durch den langen Unterrichtsausfall etwas gelitten. Auf dem Rückweg Fahrt nach Mogongo um die Patenverträge für Magret und Silas abzuschließen ( St.Kevin Academy).Am Nachmittag waren auf dem Rückweg wieder Straßen gesperrt infolge von Demonstrationen. Das Resultat: brennende Straßenbarrieren und zwei Tote in Mombasa. Bei einem Besuch der Südküste mussten wir feststellen, dass die Situation doch noch sehr angespannt ist. Die meisten Tankstellen sind demoliert und haben logischerweise kein Benzin. In der Touristenhochburg Okunda sind kaum Menschen. Die wenigen Europäer, die man sieht, sind Langzeittouristen.

23.1. Zwischenzeitlich ist unsere Patenfamilie Lehmann aus Zwickau in Mombasa eingetroffen. Dank ihrer Unterstützung haben wir in der Tumaini Junior School für einen Tag die Rolle des Chefkochs übernommen. Für alle 60 Kinder wurde ein Mittagessen von uns selbst gekocht und serviert. Das hat uns allen viel Spaß gemacht.
In der verbleibenden Zeit bis zu unserem Rückflug müssen wir versuchen, die restlichen Schulverträge abzuschließen in der Hoffnung, dass noch mehr Eltern in die Stadt zurückkommen. Es ist aber jetzt schon abzusehen, dass wir einiges auf April verschieben müssen.

Wenn man ein Resümee unserer Reise zieht, so ist folgendes zu erwähnen. Erstens: die Menschen in Kenia und vor allem unsere Patenkinder brauchen unsere Hilfe mehr denn je. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten ,der ständig an Wert verlierende Kenia Schilling und die damit verbundene Inflation, haben zu einer wesentlichen Kostensteigerung geführt. Wir sollten deshalb über eine Erhöhung des Patenschaftsbeitrages nachdenken, um auch künftig unseren Patenkindern eine solide Ausbildung zu ermöglichen. Unser Schulgartenprojekt müssen wir trotz der momentanen Probleme intensiv fortsetzen. Zweitens: unser Besuch in dieser für unsere kenianischen Freunde schwierigen Zeit, hat vielen Mut und Kraft gegeben und gezeigt, dass trotz der durch die Politik des Landes verursachten Spannungen die Menschen bereit sind, für eine positive und erfolgreiche Entwicklung ihren Beitrag zu leisten. Wenn Vereinsmitglieder und Paten sich auch weiterhin so positiv zu unserem Projekt stellen sollte, es uns gelingen, die Entwicklung der von uns betreuten Kinder so zu beeinflussen, dass sie ihre Zukunft in Kenia erfolgreich gestalten können.

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