Verfassungsreferendum am 04.08.2010 in Kenia

Am 04. August fand in Kenia eine landesweite Abstimmung über den Entwurf einer neuen Verfassung statt.

Die bisherige Verfassung ist in Kraft, seit Kenia 1963 unabhängig wurde, und wurde unter Beteiligung der Kolonialmacht Großbritannien formuliert. Sie verleiht dem Präsidenten fast absolute Macht und schützt die Parlamentarier vor der Kontrolle durch ihre Wähler.

Im Gegensatz zu den Wahlen im Dezember 2007, bei denen die eskalierende Gewalt ca. 1300 Menschenleben forderte, verlief die Abstimmung friedlich und ohne nennenswerte Zwischenfälle. Die Wahlbeteiligung war mit 71 Prozent außergewöhnlich hoch. Vor den Wahllokalen bildeten sich teilweise lange Schlangen. Laut amtlichem Endergebnis stimmten 67 Prozent der Wähler für und nur 30 Prozent gegen die neue Verfassung, die bereits zwei Wochen nach dem Referendum in Kraft tritt.

Vorausgegangen war eine breite öffentliche Diskussion, die oft mit verbaler Heftigkeit, jedoch ohne Gewaltausbrüche geführt wurde. Sie beherrschte in den letzten Wochen die kenianischen Medien. Von den Nachrichtensendungen über Werbespots und Talkshows bis zu Quiz-Veranstaltungen – alles drehte sich um die neue Verfassung. Es wurde eine umfangreiche Kampagne durchgeführt, um auch weniger gebildeten Kenianern deren Inhalt zu erläutern. Wie in einem Wahlkampf zogen die Spitzenpolitiker von Stadt zu Stadt, von Kundgebung zu Kundgebung, um für ihre Positionen zu werben. Lautsprecherwagen fuhren durch die Straßen und riefen zur Abstimmung auf.

Das Lager der Befürworter („YES“, Farbe: grün) wurde von den beiden einflussreichsten Politikern gemeinsam angeführt, die sich bei der Wahl 2007 noch feindlich gegenüberstanden: Präsident Mwai Kibaki und Premierminister Raila Odinga. Sie wurden von der Mehrheit des Kabinetts, vielen prominenten Persönlichkeiten, gesellschaftlichen Organisationen u.a. unterstützt. Auch US-Außenministerin Hillary Clinton und andere westliche Politiker hatten im Vorfeld den Entwurf der neuen Verfassung begrüßt.

Im Lager der Gegner („NO“, Farbe: rot) dominierten der Minister für Hochschulbildung William Ruto sowie Kibakis Amtsvorgänger, der Ex-Präsident Daniel Arap Moi. Beide gehören zum Stamm der Kalenjin. Moi hatte während seiner Regierungszeit sich selbst und Angehörigen seines Stammes riesige Ländereien zugeschanzt. Sie müssen nun den Verlust ihres Besitzes fürchten, da die neue Verfassung die Bildung einer Landkommission vorsieht, die über strittige Fälle von Landbesitz entscheiden soll.

Zu den Gegnern gehören außerdem die Kirchen, denen die Legalisierung der Abtreibung – auch wenn sie nur bei Vorliegen medizinischer Gründe und auf Empfehlung eines ausgebildeten Mediziners gestattet werden soll – ein Dorn im Auge ist.

Weitere wichtige Punkte der neuen Verfassung:
Beschneidung der Macht des Präsidenten. Er darf maximal zweimal für je fünf Jahre regieren. Er soll vom Parlament kontrolliert und im Fall schwerwiegender Verfehlungen seines Amtes enthoben werden können. Der 2007 geschaffene Posten des Ministerpräsidenten wird wieder abgeschafft.

Zusätzlich zur Nationalversammlung wird ein Senat geschaffen, der aus den Vertretern von 47 Verwaltungskreisen, 16 Vertretern der Nationalversammlung und je zwei Vertretern von Jugendverbänden und behinderten Menschen bestehen soll.

Das Kabinett soll von derzeit 44 auf höchstens 22 Mitglieder reduziert werden. Alle Minister müssen vom Parlament bestätigt werden. Auch Abgeordnete sollen künftig in ihren Wahlkreisen wieder abgewählt werden können, wenn sie ihre parlamentarische Arbeit vernachlässigen.

Ferner ist vorgesehen, die Gerichtsbarkeit des Landes tiefgreifend zu reformieren (Justizreform) und einen Grundrechtskatalog, die Bill of Rights, einzuführen. Die Gleichstellung der Frauen wird garantiert.

Ein weiteres Kapitel ist dem Umweltschutz und der Verteilung der natürlichen Ressourcen gewidmet.
Anders als bisher soll ein Kenianer nicht die kenianische Staatsbürgerschaft verlieren, wenn er eine andere erwirbt. Eine doppelte Staatsbürgerschaft ist nun möglich. Jeder, dessen Vater oder Mutter kenianischer Staatsbürger ist, erhält bei Geburt die kenianische Staatsbürgerschaft zugesprochen – gleichgültig, ob er in Kenia oder anderswo geboren wurde. Ausländer dürfen nach 7 Jahren Ehe mit einem Kenianer oder einer Kenianerin einen Antrag auf Einbürgerung stellen. Personen, welche durch Erwerb einer anderen Staatsbürgerschaft die kenianische verloren haben, können diese nun zusätzlich wieder erwerben – was auch für viele in Deutschland lebende Personen kenianischer Herkunft von Interesse sein dürfte.

Der Wortlaut der neuen Verfassung (in Englisch) ist z. B. unter http://www.nation.co.ke/blob/view/-/913208/data/157955/-/l8do36z/-/published+draft.pdf
zu finden.

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